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31 Okt 2018
Viersen - Wie hängen Aggression und Gewalt zusammen, wie können sie vermieden werden? Diese Fragen standen bei der 8. gemeinsamen Fachtagung des Kreises Viersen und des LVR im Vordergrund. In ihrem Grußwort sagte Gesundheitsdezernentin Katarina Esser: „Aggression und Gewalt werden oft in Verbindung mit einer psychischen Erkrankung gebracht. Tatsächlich ist es aber ein viel weitreichenderes Thema.“
Zu Beginn erwartete die Teilnehmer eine Einführung in das Thema Aggression und Gewalt. Ärztlicher Direktor der LVR-Klinik Dr. Ralph Marggraf berichtete aus der Praxis und wies die Zuhörer auf aktuelle Probleme hin. Dr. Manuel Rupp beschäftigte sich anschließend mit dem Spannungsfeld zwischen Aggression und Gewalt. Als Schweizer zog er Vergleiche zu Deutschland beschrieb besonders die Kommunikation, die zu einer Eskalation und in der Folge auch Aggression führen kann. Daraus ergaben sich Strategien für eine Deeskalation.
Privat-Dozent Dr. Stephan Debus von der Medizinischen Hochschule Hannover sprach über die Reduktion von Zwangsmaßnahmen in der Psychiatrie. Er zeigte einen Filmausschnitt über eine Zwangsmaßnahme und stellte dar, wie Rollenspiele ebenfalls dazu beitragen, Verständnis für Patienten zu erreichen.
Anschließend stellte David Buscher, Pflegedienstleitung Kinder- und Jugendpsychiatrie der LVR-Klink, das Konzept der sogenannten „Safewards“ vor. Dabei steht die Frage im Vordergrund, was die Einrichtung tun kann, um Gewalt zu verhindern. Dr. Peter W. Nyhuis baute auf dieser Thematik auf. Als Chefarzt und Ärztlicher Direktor des St. Marien-Hospital-Eickel arbeitet er seit Jahren mit dem Modell der offenen Türen und gemischten Patienten, um so gewaltarme Psychiatrie umzusetzen.
Daran schloss ein Vortrag in Form eines Interviews an. Psychiatrieerfahrene und Pfleger sowie Gudrun Weidl vom Sozialpsychiatrischen Dienst des Kreises Viersen berichteten aus unterschiedlichen Blickwinkeln und erklärten, in welchen Situationen es zu Gewalt kommt und wie sie diese erleben. Besonders wichtig ist dabei die gute Ausstattung mit Pflegepersonal.
Ein internationales Beispiel aus Kolumbien brachte Dr. Friederike Repnik vor, Diplom-Sozialpädagogin und Traumafachberaterin. Sie beschäftigte sich mit der Rolle des Zuschauers bei Konfliktentstehung und –bewältigung. Wie die Menschen eine Konfliktsituation einschätzen und verarbeiten ist abhängig davon, ob und wie der Zuschauer Partei ergreift. Durch die Ausübung von Gewalt verändern sich insbesonders die Opfer, aber auch Täter und Zuschauer.
Die abschließende Frage der Fachtagung hat der Chefarzt der Abteilung Forensik der LVR-Klinik Dr. David Strahl diskutiert: Sind psychisch kranke Menschen „gefährlicher“ als der Rest der Bevölkerung? In seinem Vortrag wies er darauf hin, dass die meisten psychisch kranken Menschen nicht straffällig werden; depressive Menschen beispielsweise würden sogar weniger straffällig. Er betonte, dass straffällig gewordene Menschen nicht aus einem vermeintlichen Sicherheitsbedürfnis heraus nach ihrer Inhaftierung als psychisch krank bezeichnet werden sollten, um sie nachträglich in psychiatrische Behandlung zu bringen. Ein großer Dank geht an Stefan Corda-Zitzen, Geschäftsführer der Psychiatrischen Hilfsgemeinschaft, der die Planung des Fachtags tatkräftig unterstützt hat.
Quelle-Foto: Kreis Viersen/LVR , Gesundheitsdezernentin Katarina Esser (vorne rechts) und (v.l.) Organisatorin Gudrun Weidl , Moderator Ralph Erdenberger, Dr. Friederike Repnik (Diplom-Sozialpädagogin und Traumafachberaterin), Privat-Dozent Dr. Stephan Debus (Medizinische Hochschule Hannover), Dr. Manuel Rupp (Facharzt für Psychiatrie), Dr. Peter Nyhuis (Chefarzt und Ärztlicher Direktor des St. Marien-Hospital-Eikel), Dr. Ralph Marggraf (Ärztlicher Direktor der LVR-Klinik) und Martina Kruß (Leiterin des Kreisgesundheitsamtes)